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Tiroler Tageszeitung, Ivona Jelcic

51 verschwundene und noch mehr trügerische Bilder „Exhausted Times“ nennt Ana Hoffner ihre unter die Haut gehende Auseinandersetzung mit Macht und Missbrauch von Bildern.

Innsbruck – Es ist eine Aufnahme, die sich kollektive im Gedächtnis eingebrannt hat: US-Präsident Barack Obama und sein Militärstab beobachten die Exekution Osama bin Ladens auf einem für den Betrachter nicht einsehbaren Bildschirm. Genau dieses 2011 vom Weißen Haus veröffentlichte Pressebild begegnet einem in verfremdeter und doch erkenntlicher Form vor dem Eingang der Neuen Galerie in der Hofburg wieder: Ana Hoffners Re-Enactment der Gesten, Posen und Reaktionen der Zuschauer des US-Tötungskommandos – von Außenministerin Hillary Clinton über Generäle, Stabschefs, nationale Sicherheitsberater bis zu Obama selbst – legt auch den Blick auf den Bildschirm frei. Er ist leer.

Im Kopf bleibt die Frage, was man von Bildüberlieferungen und -aneignungen halten soll und kann. Sie wird in der Ausstellung „Exhausted Time“ in eigenwilligen Zugängen aufgeworfen. Der Betrachter wird aufgefordert, weit mehr noch als bei der eingangs erwähnten in ihrer Stoßrichtung recht deutlichen Arbeit über das Pressefoto aus dem Weißen Haus um die Ecke zu denken. Es lohnt sich. Mit „Exhausted Times“ sind die „erschöpften Zeiten nach Krisen, Konflikten oder Kriegen“ gemeint. Sie haben auch visuelle Zeugnisse hinterlassen. Hoffner, 1980 im damaligen Jugoslawien geboren, ist im Kindesalter als Kriegsflüchtling nach Österreich gekommen. Die schrecklichen Bilder der Opfer des Bosnienkrieges und der Gefangenen in den berüchtigten Lagern Omarska und Trnopolje sieht sie damals im Fernsehen. Wie damit umgehen? „Transferred Memories – Embodied Documents“ ist der Versuch einer Antwort, der sich an der Ästhetik von Ingmar Bergmans Filmikone „Persona“ und ihrer ästhetischen Selbstreflexion bedient.

Die zusammen mit einer Schauspielerin eingelesenen Überlebenden-Berichte über Tod und Vergewaltigung werden, von ihren visuellen Zeugnissen getrennt, nicht erträglicher. Sie öffnen sich aber hin zu einer Arbeit, in der Hoffner sich ganz offen an Arbeiten von Sanja Ivekovic anlehnt: „Future Anterior – Illustrations of War“ zeigt Ausschnitte von Hochglanzbildern, die Starfotograf Steven Meisel für die Vogue gemacht hat: Zu sehen sind weibliche Models in der Gewalt von männlichen Polizisten und Soldaten.

Hoffners künstlerische Arbeit ist von einem dezidiert queeren Blick auf Identitätsfragen geprägt: Im Selbstversuch vollzieht sie etwa die „Vermännlichung“ der eigenen Stimme, die Geschichte von Fikret A., der in Frauenkleidern aus Trnopolje entkommen ist, taucht in „The Queer Familiy Album – Me and my three daddies“ wieder auf, in der das kollektive Bildgedächtnis in einer Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Medien, Körper und Identität gelenkt wird.

Ein eher ironisches Denkmal setzt Hoffner wiederum jenen Bildern, die erst durch ihr Verschwinden zu Objekten nationaler Aneignung werden konnten. Nämlich 51 Werken, die 1993 aus der Kunstgalerie von Bosnien & Herzegowina verschwunden und nie wieder aufgetaucht sind. Aber die niemand zu kennen scheint.

 
Ana Hoffner